Das närrische Treiben steuert im Februar 1967 seinem Höhepunkt entgegen, da passiert einen Tag nach Altweiberfastnacht im Haus des früheren Wohnsitzes der Arnsberger Regierungspräsidenten an der Klosterstraße ein grausiges Verbrechen. Eine 71-jährige Rentnerin wird in ihrer Wohnung mit mehreren Schlägen auf den Kopf ermordet. Tatwaffe ist ein Schürhaken.
Noch am Abend nehmen Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und die Dortmunder Mordkommission die Untersuchungen am Tatort auf, die Beamten glauben zunächst an Raubmord. Dagegen spricht aber, dass die Wohnung nicht durchsucht wurde.
Rund um die Uhr arbeiten neun Kriminalbeamte fieberhaft an der Auflösung dieses brutalen Verbrechens, Spuren werden gesichert und zahlreichen Hinweisen nachgegangen - und eine Belohnung von 3000 Mark ausgesetzt.
Die Befragung einer Bekannten des Opfers erhärtet einen konkreten Tatverdacht, am Abend des 8. Februar 1967 beantragt die Staatsanwaltschaft Haftbefehl, die Tatverdächtige wird gegen 19 Uhr dem Untersuchungsrichter vorgeführt. Dort gibt die ehemalige Krankenschwester eine für die Ermittler höchst unglaubwürdige Geschichte zu Protokoll. Sie habe Elisabeth Iven am Tattag gegen 16 Uhr besuchen wollen und von der gegenüberliegenden Straßenseite aus einen Schatten hinter einer Gardine bemerkt. Beim Betreten der Wohnung habe sie dann ihre Bekannte tot im Wohnzimmer liegend aufgefunden.
Im Mai 1968 wird Anklage wegen Mordes erhoben, Prozessbeginn ist der 5. November 1968. Während des Verfahrens bestreitet die Angeklagte weiterhin vehement eine Tatbeteiligung, ihre Angaben sind nicht immer glaubhaft, können aber vom Gericht nicht widerlegt werden. Die Angeklagte wird schließlich freigesprochen.
Klosterstraße
Arnsberg
Hier steht das Haus, in dem 1967 eine Rentnerin ermordet wird.
Es ist ein sonniger Spätsommertag im Sauerland. Der Niederländer Philip Bosma macht mit seiner Lebengefährtin Urlaub am Möhnesee. Sie planen einen Ausflug nach Brilon. Mit einem Klapprad macht Bosma sich alleine auf den Weg nach Brilon-Wald. Mit dem Zug will er später wieder zurück. Seine Lebensgefährtin bleibt in Brilon und wartet.
28 Stunden später findet eine Spaziergängerin den Niederländer mit zerborstenem Schädel, Blut überströmtem Kopf, gebrochenen Rippen und einem Riss im Lungenflügel am Straßenrand.
Als Philip Bosma im Krankenhaus zu sich kommt, ist er nicht mehr er selbst. „Ich war wie ein Kind, musste alles neu lernen.“ Die Erinnerungen fehlen.
Wurde Philip Bosma von einem Auto angefahren? Wurde er überfallen? Oder ist er – wie die Polizei glaubt – einfach nur gestürzt? Die Polizeiversion glaubt Philip Bosma nicht. „Die Verletzungen sind so schwer und vielfältig, die Strecke ist nicht gefährlich.“ Auch sein Bruder ist überzeugt, dass etwas anderes passiert ist. „Philip ist ein äußerst vorsichtiger Mensch. Er geht einfach keine Risiken ein.“
Kreuzung am Poppenberg
Brilon
Der letzte Ort, an den sich Bosma erinnert.
Als Ellen im Jahr 1936 ihren Eltern Josef Rinsche vorstellt, sind die wenig begeistert. Ein junger Mann aus einfachsten, ja ärmlichen Verhältnissen, ungebildet. Doch die beiden lassen sich nicht beirren, beginnen eine Beziehung. Aber Josef Rinsche schlägt seine Frau, drangsaliert sie, erzwingt die "ehelichen Pflichten" mit roher Gewalt.
Eines nachts kommt Josef Rinsche nach Hause und fällt wieder einmal über seine Frau her, schlägt sie, tritt sie, schleift sie an den Haaren durch die Wohnung, sie befreit sich, schließt sich im Schlafzimmer ein. „Papa, lass die Mutti los. Mach Mama nicht tot“, ruft der gemeinsame Sohn. Plötzlich hat sie das Bügeleisen in der Hand.
Dann kracht das schwere Bügeleisen mit dem Holzgriff und der eisernen Platte wuchtig auf Josefs Schädel. Einmal. Zweimal. Der Vater sackt zusammen.
Ellen Rinsche will die Leiche fortschaffen, doch den 90 Kilogramm schweren Körper kann sie kaum bewegen. Mit einem Beil und einem Brotmesser trennt sie Kopf und Gliedmaßen im Schlafzimmer ab. In Decken gewickelt legt sie die Leichenteile in einen Kinderwagen. Zweimal macht sie sich mit damit nachts zu Fuß auf den Weg zum Bahnhof, fährt mit dem Zug einmal nach Wuppertal und einmal nach Düsseldorf. Den Torso legt sie in eine Bombenruine, den Kopf wirft sie in die Wupper und die Extremitäten in den Rhein.
Notdürftig säubert sie die Wohnung, verwischt die Spuren oberflächlich oder gar nicht. Ellen Rinsche meldet ihren Mann eine Woche nach dessen Ableben als vermisst. Die Polizei hat sie vor eine leichte Aufgabe gestellt.
Brüderstraße
Gevelsberg
In der Villa Dörken hatten die Rinsches damals eine Wohnung bezogen.
Er ermordete fünf Menschen, überfiel Banken und Geldtransporter, schmuggelte Zigaretten und brach zweimal aus dem Gefängnis aus: Obwohl seine Taten 18 Jahre und länger zurückliegen, gehört Norman Franz bis heute zu den meist gesuchten Schwerverbrechern Deutschlands.
Die kriminelle Karriere des in Neheim-Hüsten geborenen Norman Volker Franz nimmt ihren Anfang in Dortmund. Er ist Mitglied einer Bande. Als sie im Mai 1995 mit einem rivalisierenden, polnischen Gangstersyndikat aneinandergeraten, locken Franz und seine Komplizen die Gegner in einen Hinterhalt. Auf einem einsamen Parkplatz in Syburg wirft Franz eine Handgranate in das Auto der Polen, von denen einer sofort stirbt.
Franz setzt sich ins Ausland ab, wird jedoch geschnappt und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Am 11. März 1997 gelingt ihm die in Gefängniskreisen bis heute legendäre Flucht aus der Justizvollzugsanstalt in Hagen.
Nur zwei Wochen nach dem Gefängnisausbruch schießt Norman Franz vor der Dresdner Bank in Weimar einen Wachmann nieder und reißt eine Geldkassette mit 10 000 Mark an sich. Wiederum vier Monate später macht er fette Beute und flieht mit einer halben Million Mark, die er aus einem Geldtransport in Halle geraubt hat. Die beiden wehrlosen Wachmänner streckt er eiskalt nieder.
Später wird er erneut festgenommen. Die Polizei sperrt ihn ins Zentralgefängnis von Lissabon ein. Am 28. Juli 1999 flüchtet er. Seitdem ist Franz verschwunden.
Ortsteil Syburg
Dortmund
Auf einem Parkplatz in diesem Ortsteil wirft Norman Franz eine Granate in das Auto dreier Polen.
»Ich bin den ganzen Weg alleine gegangen. Ich glaube, das war mein Glück. So war ich unauffällig, wurde nie von der Polizei aufgegriffen. Ich hatte große Angst. Der Weg war sehr lang, drei Monate habe ich gebraucht. Aber ich hatte nichts zu verlieren.
Ich weiß nicht, wo meine Eltern sind, ob sie noch leben. Wir kommen aus Bahria Town. Meine Familie ist auseinander gebrochen, nachdem einer meiner Cousins getötet wurde. Mein Bruder, er ist Anwalt, ist dagegen vorgegangen. Dann haben sie meine Familie gefoltert.
Ich war erst in München, dann in Berlin. Von dort haben sie mich hier ins Lager nach Eisenhüttenstadt gebracht. Ich will hier nicht sein. Ich liebe Berlin, die Stadt ist so aufregend. Wie ich mir meine Zukunft dort vorstelle? Ich möchte Bodybuilder werden.«
Ender Talstraße
Herdecke
An einer Stelle im Wald an dieser Straße wurde das Opfer gefunden.
Das Haus des Mendener Auswandererpaares Eitel Brandenburg († 73) und Elisabeth Hömke (67) geht am 4. Februar 2016 in Flammen auf. Ermittler finden die verbrannte Leiche des Mannes. Von der Frau fehlt jede Spur. Nach ihr wird europaweit gefahndet. Sie bleibt bis heute verschwunden.
Was passierte wirklich im 120-Seelen-Ort Saint Georges de la Couée, gut zweieinhalb Autostunden südlich von Paris? Nachbar Daniel Weber (65) hat einen Streit zwischen den Partnern mitbekommen. Eitel Brandenburg soll ihm gegenüber am Abend vor dem Brand beklagt haben, dass Elisabeth Hömke Geld abzweigt.
Andere Nachbarn bemängeln, dass die Ermittler nach dem Brand nicht gründlich genug gesucht haben sollen. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Le Mans lehnt gegenüber der Redaktion eine Stellungnahme mit Verweis auf ein laufendes Verfahren ab. Es gebe keine neuen Erkenntnisse zu berichten.
Die Ruine ist zwischenzeitlich in einen Dornröschenschlaf gefallen. Die Staatsanwaltschaft verwehrt möglichen Erben den Zugriff. Elisabeth Hömke gilt zwar als vermisst, aber nicht als tot. Nach deutschem Recht kann sie frühestens zehn Jahre nach dem Verschwinden für tot erklärt werden.
Saint Georges de la Couée
Frankreich
Ein Teil des französischen Ortes, in dem das Haus des Mendener Auswandererpaares in Flammen aufging.
„Manchmal“, weiß Oberstaatsanwalt Thomas Poggel, „kommt es vor, dass ein Täter nach Jahren sagt: Ich kann mit der Schuld nicht mehr leben.“ Vor ihm liegt ein Paket. Es ist ein Aservat, ein Beweismittel. Es enthält Brandasche. Es sind die letzten Spuren eines schrecklichen Falls aus Meschede. Er handelt vom Tod eines Kleinkinds. War es ein Unglück? Ein Verbrechen? Sogar Mord?
Es ist ein Samstagabend im April 2010, noch eine halbe Stunde bis Mitternacht, als die Feuerwehr alarmiert wird. Am Ende dieses Einsatzes werden nicht nur Hausbewohner, sondern auch Einsatzkräfte psychologisch betreut.
Sie haben ein 14 Monate altes Kind aus einer brennenden, verrauchten Wohnung geholt. Es war eigentlich schon tot, musste wiederbelebt werden, kam in die Kinderklinik. Dort stirbt es. Tod durch Rauchgasvergiftung. Jasmin war ganz allein in der Wohnung, als es brannte. Im Gitterbett. Ihre Mutter im Puff.
Ein Brandsachverständiger untersucht die Wohnung. Seine Einschätzung: Schwelbrand. Zigarettenasche etwa oder eine versehentlich umgefallene Kippe. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die damals 23-jährige Mutter. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung.
Später überrascht ein neuer Experte: Der Brand in der Wohnung könnte auch vorsätzlich gelegt worden sein. Die Mutter des Mädchens würde als Täterin ausscheiden. Am Ende des Verfahrens steht ein Freispruch. Und plötzlich gerät ein Mann ins Visier der Ermittler: der ehemalige Lebensgefährte der Mutter.
Eine 32-jährige Studentin wird 2007 auf dem Heimweg von einem Eltern-Treffen in Siegen ermordet. Das DNA-Profil des Täters wurde an der Leiche gesichert. Bis heute konnte kein Mörder gefunden werden.
„Das lässt einen einfach nicht los“, sagt Norbert Rautenberg. Als Polizist, als Kriminalist, als Mensch. „Mord ist die schlimmste Straftat, die es gibt“, sagt der Kriminalhauptkommissar. Auch wenn sie alle Profis sind – eine ermordete junge Frau ist kein Vorgang, den sie abarbeiten.
500 Leute hat die MK Tiergarten überprüft, als der Entschluss für eine DNA-Reihenuntersuchung gefasst wird. Der entscheidende Treffer ist nicht dabei. Nicht jeder will eine Speichelprobe abgeben, wenn einer ablehnt, versuchen die Ermittler, ihn zu überreden.
3800 Leute haben sie inzwischen „gespeichelt“, wie es im Polizeijargon heißt. Kein Treffer. „Das war die erste Ernüchterung“, sagt Rautenberg. Die Suche geht weiter. Funkzellenüberprüfung: Die Ermittler erhoffen sich Hinweise auf potenzielle Zeugen, die sich zur Tatzeit im Gebiet aufgehalten haben und werten Handydaten aus.
Irgendwann war die Mordkommission mit ihrem Latein am Ende. Zwei Jahre hat die MK Tiergarten intensiv gearbeitet, fast 30 Leute waren dafür abgestellt, plus andere Behörden, LKA, Justiz. Alles sind sie durchgegangen, alle Verdächtigen abgearbeitet – nichts. „Ich will niemals aufgeben“, sagt Norbert Rautenberg.
VB 54/Bereich Tiergartenstraße
Siegen
Am Ende einer Fußgängerbrücke in diesem Bereich sitzt der Täter in einem Gebüsch.
„Sorpe 1 kommen. Blauer Jaguar gefunden an der L 544 zwischen Langscheid und Forsthaus Melschede!“ So lautete die Meldung einer Polizeistreife am späten Nachmittag des 25. August 1977.
Der Wagen war mit Zweigen und Farnen abgedeckt, steckte im morastigen Boden fest. Und damit hatte der Fall einer verschwundenen Millionärsgattin aus dem märkischen Hemer auch einen Tatort, den Höveler Knapp. Nur einige hundert Meter von Schloss Melschede begann die Suche nach der 36-jährigen Frau. Wenig später bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen. Die 36-jährige Mutter von drei Kindern ist tot. .
Fakt war, dass die Frau durch Strangulation gestorben war, nachdem sie mit einem Revolver einen Schlag auf den Kopf bekommen hatte.
Eine vierköpfige Wandergruppe hatte einen Mann beobachtet, als er den Jaguar mit Zweigen zudeckte. Die vier Männer gaben die erste Beschreibung des Unbekannten.
Wie sich später herausstellte, war der Gesuchte mit seiner Freundin nach Witten gezogen, wo er schließlich verhaftet wird. Aber: Der Verhaftete gesteht den Mord nicht, es könne höchstens sein zweites Ich gewesen sein, erklärt er gleich in der ersten Vernehmung unter diesem Aspekt. Und bekennt, er sei schizophren.
Ein Gericht verurteilt ihn zu zwölf Jahren wegen Totschlags. Offen bleibt bis heute, wo sich Opfer und Täter kennengelernt haben. In einer Prozess-Wiederaufnahme Anfang 1981 gesteht der Angeklagte dann den Mord, obwohl es hier um das Strafmaß geht, das der Bundesgerichtshof gerügt hat. Der Angeklagte erklärt auch, dass die Getötete vorgehabt habe, ihren Mann zu ermorden.
Ein Gericht verurteilt ihn zu zwölf Jahren wegen Totschlags. Offen bleibt bis heute, wo sich Opfer und Täter kennengelernt haben. In einer Prozess-Wiederaufnahme Anfang 1981 gesteht der Angeklagte dann den Mord, obwohl es hier um das Strafmaß geht, das der Bundesgerichtshof gerügt hat. Der Angeklagte erklärt auch, dass die Getötete vorgehabt habe, ihren Mann zu ermorden.
nahe Schloss Melschede
Sundern
Auf einem selten genutzten Feldweg findet ein Landwirt den Wagen des Opfers.
Leise fällt der Schnee zwischen die braunen Stängel auf den Senfacker. Seit Wochen liegt Esbeck im Dauerfrost. Dicke Eisflächen bedecken die Bürgersteige des kleinen Dorfes. Auf dem Senffeld rackert sich ein Bauer mit der Mähmaschine ab. Der Boden ist gefroren. Plötzlich ist da etwas, was nicht passt. Marina Schmitz *. Seit genau drei Wochen vermisst. Vereist. Tot.
Es ist der 22. Januar 2009, als Olaf Schmitz * die Polizeidienststelle in Warstein betritt. Er meldet seine Frau als vermisst. Am 19. Januar waren die beiden von Belecke nach Lippstadt gefahren. Vor dem Cineplex hatte Olaf Schmitz seine Frau abgesetzt. Sie wollte sich dort mit Bekannten treffen, ihn anrufen, wenn er sie wieder abholen könnte. Sein Telefon sollte nicht klingeln.
Die Polizei ermittelt. Zu den Arbeitskollegen, die sie angeblich treffen wollte, hatte Marina Schmitz seit Jahren keinen Kontakt. In Belecke schwirren leise aber vernehmlich Gerüchte durch die Straßen. Die Marina, die sei doch „nicht so ohne“. Und das Motiv, kann das Eifersucht gewesen sein?
Am 9. Februar findet der Bauer die Leiche von Marina Schmitz auf dem Senffeld in Esbeck. Die Obduktion stellt den Tod durch Gewalteinwirkung fest. Es fehlen ein Handy der Marke LG KP 130, eine goldene Halskette mit einem Sternzeichenanhänger. Zwilling. Ein Ehering mit drei Steinen. Eine Geldbörse. Die Mordkommission ermittelt. Hinweise gehen kaum ein.
Konrad-Adenauer-Ring
Lippstadt
Vor dem Cineplex-Kino setzt Olaf Schmitz* seine Frau zu ab. Wochen später wird ihre Leiche gefunden.